Kriegstreiber Joachim Gauck? Die Jagd auf Bundespräsident Joachim Gauck ist eröffnet. Er hat zwar nicht gesagt, was ihm zugeschrieben wird. Und jeder kann es nachlesen. Die öffentliche Meinung aber folgt anderen Gesetzen ... Die Rede von Joachim Gauck zur Eröffnung der 50. Münchener Sicherheitskonferenz ist für jede und jeden nachlesbar! Der Bundespräsident schließt darin als allerletztes Mittel bewaffnete Kriegseinsätze nicht aus, das stimmt. Aber er widerspricht ausdrücklich jenen, die meinen, Deutschland solle mehr dafür zahlen und auch jenen, die meinen, Deutschland solle mehr schießen. Stattdessen setzt er sich für ein friedenspolitisches vorbeugendes Handeln Deutschlands ein. Er beklagt, wie oft der Bundestag über Kampfeinsätze diskutiert hat und wie wenig über deutsche Außenpolitik. Er fasst zusammen, wie wichtig Politik und internationales Gespräch sind, und dass Deutschland diese Erfahrung auch weltweit ins Gespräch bringen kann. Und er fordert, dass Deutschland als ein Hauptprofiteur der Globalisierung eine Verpflichtung hat, sich mit seinem Erfahrungen vorbeugend und deeskalierend einzusetzen. Wer sich für Menschenrechte aktiv einsetzt und Bildung fördert, setzt sich gegen Krieg ein, und Deutschland kann dabei viel tun. Warum lesen so wenige Menschen heutzutage nach, was er wirklich gesagt hat? Warum trauen so vielen Menschen den verkürzenden Zuspitzungen mehr als dem Menschen, der sie (wie diese Ost-Pfarrer) jahrelang begleitet hat und den sie jahrelang begleitet haben? Warum diffamiert ein ansonsten besonnener Mensch wie Jürgen Todenhöfer einen Bundespräsidenten als “Dschihadisten”, ohne zu überprüfen, ob der Vorwurf auch nur annähernd stimmt - ob er auch nur annähernd stimmen kann? Wer Gauck nur ein wenig kennt, der muss doch wissen, dass er sich niemals unkritisch und pauschal für eine Ausweitung von deutschen Kriegseinsätzen aussprechen würde. Was er auch nicht getan hat. Was jeder nachlesen könnte... Aber die Nachrichten in der modernen Welt funktionieren anders. Da ist es inzwischen egal, wie sinnentfremdet die erste große Schlagzeile war (1). Durch die Berichte in den anderen Medien wird die Sinnentfremdung zur öffentlichen "Tatsache" (2). Trotz humanistischer Bildung (dass man also die Nachricht an den Quellen prüfen sollte) formiert sich im dritten Schritt der Protest gegenüber dem, was der Betreffende niemals gesagt hat (3). Im vierten Schritt summieren sich Hohn und Spott, der kübelweise über den Betreffenden ausgeleert wird (4) - man schaue nur auf Todenhöfers Facebook-Seite und Tausende zustimmender Kommentare oder blättere durch x-beliebige Leserbrief- / Kommentarseiten. Mal sehen, wann dies soweit überhand nimmt, dass wieder einmal jemand zurück treten muss, der durch die öffentliche Falschkommentierung dazu gedrängt wird (5). Und irgendwann später kommt Schritt sechs durch genau die Medien, die bei der Verkürzung ganz am Anfang mitgemacht oder sie in Umlauf gebracht haben: Der Betreffende wird "rehabilitiert". Einer Schar von "Kritikern" wird der Vorwurf gemacht, sie hätten verkürzt, missverstanden, verdreht. Nur die eigene Rolle in diesem üblen Spiel wird nicht deutlich gemacht (6). Obwohl jeder mit einer Handvoll Klicks Zugriff auf die Originalrede hat - das war noch vor 15 Jahren ganz anders -, kann man mit einer kurzen Überschrift die Meute zum Angriff blasen. Und die Meute macht mit. Selbst ansonsten besonnene Menschen merken nicht mehr, dass sie keinem echten Fuchs nachjagen, sondern nur einer Attrappe. Aber die Jagd läuft. Unbarmherzig. Mal sehen, ob jemand ihm öffentlich beispringt, ob die Hatz doch noch abgeblasen werden kann. |