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© Bernd Kehren 1999-2016

 

Perfekte Kirche?

Wie perfekt muss die Kirche Jesu Christi sein?

Inhalt einer Email vom 14. August 2008

Lieber Clemens Bittlinger,

ich lese gerade unter http://unserekirche.de/engagement/strittiges/bittlinger-konzert-unter-polizeischutz_1854.html die Mitteilung, dass Du unter Polizeischutz wegen eines papstkritischen Liedes spielen musstest.

Im Lied fragst Du demnach, warum die röm.-kath. Kirche "uns" nicht als Kirche anerkennt.

M.E. hast Du damit genau den wunden Punkt getroffen.

Unsere Theologen diskutieren immer wieder darüber, warum die Ökumene nicht voran kommt. Die Ämterfrage, heißt es, die Sakramentsfrage, heißt es, usw. usw. usw.

M.E. ist das alles nebensächlich.

Die Kernfrage lautet: Wie perfekt muss die Kirche Christi sein?

Und die röm.-kath. Kirche sagt:

  • Gott ist perfekt.
  • Jesus als Person der göttlichen Dreieinigkeit ist perfekt.
  • Die Kirche ist als Kirche Jesu Christi ist auch perfekt. Sie kann gar nicht anders, als perfekt sein.

 

  • Eine perfekte Kirche darf aber z.B. nicht für Kondome sein, trotz Aids, denn eine perfekte Kirche darf nicht für sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe werben.
  • Eine perfekte Kirche darf auch keine Beratungsscheine für eine Schwangerschaftsberatung ausstellen.
  • Eine perfekte Kirche muss das Priesteramt durch die apostolische Sukzession absichern.
  • Eine perfekte Kirche muss ein perfektes Abendmahl mit perfekter Wandlung der Elemente und perfekter Absicherung durch ein perfektes Priesteramt feiern.
  • Eine perfekte Kirche muss dafür sorgen, dass Ehen nicht nur nicht geschieden werden können, sondern dass auch möglichst alle Faktoren ausgeschaltet werden, die zu einer Annulierung der Ehe führen könnten. Darum müssen katholische Ehepaare immer diesen komischen Fragebogen ausfüllen.
  • usw. usw.

Eine perfekte Kirche kann mit unperfekten Kirchen wie der evangelischen Kirche keine volle Gemeinschaft haben. Infrage kommen da nur andere perfekte Kirchen wie die orthodoxen Kirchen etwa.

Ich nehme natürlich mit einem Grinsen aber eben auch mit Trauer und mit tiefem Mitleid zur Kenntnis, dass die katholische Kirche die Quadratur des Kreises versucht, und dabei (jeder Mathematiker kann zeigen, dass das nicht gehen kann) scheitert. Warum feiert die Kirche das Messopfer mit Weißwein? Weil sich sonst die Frage stellt, wie man Rotweinflecken, die zu Blut Christi gewandelt sind, aus der Altardecke entfernen kann. Warum muss der Kelchinhalt mit Wasser verdünnt und ausgetrunken werden, bevor der Kelch ausgeputzt wird? Gleiches Problem, aber sofort wird klar, dass trotzdem immer noch feinste Reste von Blut Christi in der Waschmaschine landen. Das sind nur zwei Beispiele, die sofort zeigen, wie jämmerlich das Perfektheitsstreben schon im Ansatz scheitert und scheitern muss.

Ich bin stolz, Mitglied einer nicht perfekten Kirche zu sein. (Auch wenn die Evangelische Kirche im Rheinland mir keine Pfarrstelle bieten kann und mich im Januar als Pastor nach 5 Jahren Sonderdienst entlassen wird.)

  • Wenn Gott perfekt ist, dann hat er irgendwie auch Fehler (Jesus lässt sich von der Samaritanerin belehren und umstimmen).
  • Wenn Gott perfekt ist, dann zeigt er sich doch uns Menschen auch als "wahrer Mensch", erleidet unsere Qualen, unseren Tod.
  • Wenn Gott auch perfekt ist, so hat er seine Schöpfung nicht perfekt geschaffen, sondern "nur" "sehr gut".
  • Gott liebt uns nicht, weil wir perfekt sind, sondern weil er Sünder liebt.
    Darum dürfen wir als evangelische Christen auch zu unserer Sündhaftigkeit und Vergebungsbedürftigkeit stehen.
    Darum dürfen wir immer neu zu ihm kommen.
    Darum dürfen wir um der Liebe willen 5 gerade sein lassen.

Darum dürfen wir vor allem um den rechten Glauben streiten, denn es ist wichtig, dass wir um den rechten Glauben streiten:
Liberale und Orthodoxe, Evangelikale und Freikirchler, Christen und Muslime und Hindus und und und.

Aber weil wir von Gott geliebte Sünder sind, wissen wir um unsere eigenen Fehler und können dazu stehen.

Wir dürfen auch die Fehler der anderen kennen, aber wir werden großzügig sein, wie auch Gott großzügig mit uns ist. Und wir wissen, dass ein noch so perfekter Glaube ohne Liebe ein (so Paulus fast wörtlich) Scheißdreck ist, zu nichts nütze.

Denn Glaube ist so wichtig wie Hoffnung, aber die Liebe ist noch wichtiger.

Wenn der Papst uns also vorwirft, wir wären nicht perfekt: Ich bin stolz darauf.

Denn eine wirkliche Kirche Jesu Christi zeichnet sich gerade durch diese Unperfektheit aus.

In diesem Sinne erinnere ich auch an die Theologie Ulrich Bachs, ich vermute, dass er auch einer deiner theologischen Lehrer war und vielleicht noch ist (www.ulrich-bach.de).

Ganz herzliche Grüße

Bernd Kehren